Montag, 27. Mai 2013

Willkommensfest für Simonyan in der Franziskusgemeinschaft



Am Abend wurde die Familie Simonyan in Pinkafeld wieder herzlich willkommen geheißen. Nach den ungewissen letzten Nächten mit Alpträumen war die Freude über das Wiedersehen groß!

Kundgebung erfolgreich: Simonyan-Abschiebung verhindert!



Einsatz und Zivilcourage vieler Menschen während der letzten drei Tage waren nicht umsonst; Hoffnung und Vernunft haben gesiegt!

Zur Demonstration vor der Bezirkshauptmannschaft Oberwart waren ca. 150 Menschen erschienen. Auf Transparenten und in Sprechchören wurde das humanitäre Bleiberecht für die Familie Simonyan gefordert. Rainer Klien (SOS-Mitmensch), Lanfranco Reitlinger (Franziskusgemeinschaft Pinkafeld), Gerlinde Grohotolsky (Burgenländische Plattform Bleiberecht) und Elias Bierdel (Menschenrechtsaktivist) überreichten im Büro des Bezirkshauptmanns einen Stappel Unterstützungserklärungen an Robert Pimperl.

In Vertretung von Bezirkshauptmann Dr. Hermann Sagmeister, der in Urlaub ist, sowie seines Stellvertreters Dr. Helmut Nemeth, der im Außendienst war, teilte Robert Pimperl vom Fachbereich Sicherheitswesen der Abordnung der Kundgebung mit, dass per Verordnung des Innenministeriums die Schubhaft für Familie Simonyan aufgehoben und die Abschiebung aufgeschoben ist!

Die Freude der TeilnehmerInnen war riesig! Danke allen Beteiligten für die Solidarität! Danke den verantwortlichen Behörden für die Einsicht!

Ein Etappensieg konnte damit erreicht werden. Doch ein schwerer Weg bis zur Aufenthaltsgenehmigung steht noch bevor.



burgenland.orf.at, 27.5.2013
Flüchtlingsfamilie darf vorerst bleiben
Im Fall einer fünfköpfigen Familie aus Armenien, die abgeschoben werden sollte, gibt es jetzt nach Protesten eine überraschende Wende: Auf Intervention des Innenministeriums ist am Montag der Abschiebungsbescheid ausgesetzt worden.

TV-Bericht in Burgenland HEUTE >>


Asyl in Not, 27.5.2013
Abschiebung durch Protest verhindert
Etappensieg im Burgenland
SOS Mitmensch Burgenland hat – unterstützt von Pax Christi, der Franziskusgemeinschaft Pinkafeld, Asyl in Not und vielen anderen Menschen guten Willens – einen schönen Erfolg errungen. Nach einer Onlinekampagne, die in kürzester Zeit tausende Unterschriften brachte, und einer Demonstration mit 150 TeilnehmerInnen vor der Bezirkshauptmannschaft Oberwart wurde die armenische Flüchtlingsfamilie Simonyan aus der Schubhaft entlassen.

Wiener Zeitung, 27.5.2013
Abschiebung einer armenischen Familie aus dem Burgenland gestoppt
Zwei Bezirkshauptmannschaften sollen den Fall prüfen.
Grüne: Widerstand mache sich bezahlt.
Oberwart. Im Burgenland ist am Montag die Abschiebung einer fünfköpfigen Familie aus Armenien, die sich seit 2009 in Österreich befindet, vorerst gestoppt worden. Freitagfrüh hatten Polizisten laut Medienberichten die Familie, die seit zwei Monaten in Pinkafeld untergebracht war, abgeholt. Montagvormittag fand in Oberwart eine Protestkundgebung statt. Unterdessen hat die BH Oberwart die Abschiebung vorerst ausgesetzt, bestätigte Landeshauptmann Hans Niessl.

KURIER, 27.5.2013
Flüchtlingsfa­mi­lie darf vorerst bleiben
Im Südburgenland wurde eine Abschiebung gestoppt.
Während sich Montagfrüh an die 150 Freunde und Bekannte der Simonyans sowie Menschenrechtsaktivisten vor der Bezirkshauptmannschaft (BH) Oberwart zum Protest versammelten, kam in den Amtsräumen der BH Bewegung in die Sache. „Auf Weisung des Bundesministeriums für Inneres wurde die Schubhaft aufgehoben und die Abschiebung ausgesetzt, weil die Familie derzeit getrennt ist“, erläutert Helmut Nemeth von der BH.

Burgenland-KRONE, 27.5.2013
Bgld: Abschiebung einer armenischen Familie gestoppt
Fall wird geprüft
Die Abschiebung einer fünfköpfigen Familie aus Armenien, die sich seit 2009 in Österreich befindet und seit einigen Wochen im Burgenland lebt, ist am Montag vorerst gestoppt worden. Da sich zwei Kinder des Ehepaares, eines davon 15 und das andere 17 Jahre alt, derzeit nicht bei den Eltern aufhalten, können die beiden Erwachsenen aus rechtlicher Sicht nicht abgeschoben werden.

European-News-Agency, 28.05.2013
Abschiebung gestoppt
Abschiebung gestoppt: Familie aus Armenien darf vorerst in Österreich bleiben.
Die Grünen Burgenland: Widerstand macht sich bezahlt.
Mehr als 150 UnterstützerInnen bei Protestkundgebung - initiiert von den Jungen Grünen Burgenland - vor der Bezirkhauptmannschaft in Oberwart dabei.

Samstag, 25. Mai 2013

Urgent action: Bleiberecht für Familie Simonyan!


EINLADUNG zur SOLIDARITÄSTSBEKUNDUNG

vor der Bezirkshauptmannschaft Oberwart,
Hauptplatz 1, 7400 Oberwart

am MONTAG, 27. Mai 2013, um 9:00 Uhr

HUMANITÄRES BLEIBERECHT FÜR FAMILIE SIMONYAN!

Online-Petition:
Bleiberechtsantrag der Familie Simonyan genehmigen und Leben retten >>


Offener Brief von Bruder Lanfranco, Franziskusgemeinschaft:

Liebe Verwandte und Freunde!

Vielleicht habt ihr inzwischen schon über die "Nacht und Nebel" Aktion zur Abschiebung der Familie Simonyan gehört. Seit bald 3 Monaten leben die Eltern und zwei minderjährige Kinder bei und mit uns hier in der Franziskusgemeinschaft.

Sie waren ein, zwei Wochen nach ihrem Einzug bei uns nicht nur in der Gemeinschaft integriert - freiwilliges Helfen, Abendessen mit uns, untertags in "ihrer" Wohnung.... - sondern der 15-jährige Sohn hat mit gutem Erfolg den polytechnischen Jahrgang der Hauptschule besucht und ist für das kommende Schuljahr in der Baufach- und Technik-Abteilung der hiesigen HTBL gemeldet. Die 17-jährige Tochter absolviert im Kinderdorf eine Zeit der Praxis, um im Herbst die Schule für soziale Berufe zu beginnen. Die 19-jährige und damit volljährige Tochter hat sich der Aktion entzogen und ist untergetaucht. Wir kennen ihren Verbleib nicht.

Die Bevölkerung ist geschockt und wir - das heißt ihr Rechtsvertreter Rainer Klien (SOS-Mitmensch), Elias Bierdel (Friedensburg Schlaining; bekannt durch seinen Einsatz im Mittelmeer mit dem Schiff "Cup Anamour" zur Rettung von afrikanischen Bootsflüchtlingen; jetzt wohnhaft in Pinkafeld) und wir von der Franziskusgemeinschaft - glauben (als Glaube verstanden), dass eine Umstimmung der Behörden in der "letzten Minute" möglich ist, wenn der Druck entsprechend ist.

Daher bitten wir, sowohl dem Landeshauptmann (hans.niessl@bgld.gv.at) wie auch dem Bezirkshauptmann (bh.oberwart@bgld.gv.at) eure Solidarität mit einer E-Mail kundzutun - und bitte gleich.

Weitere Infos:

Am Freitag Abend wurde in Oberwart eine Plattform gegründet, die von verschiedenen Parteien und Institutionen gebildet wird, um die Vorgangsweise zu Gunsten der Simonyans zu koordinieren.

Am Monatg um 8:30 wird eine Demonstration vor der BH Oberwart stattfinden, um mit dem Bezirkshauptmann ins Gespräch zu kommen. Dabei soll eine Unterschriftenliste übergeben werden. Herzliche Einladung zur Teilnahme und zur Bekundung eurer Solidarität!

Und am Dienstag, dem 28. Mai, werden... die Simonyans HOFFENTLICH NICHT mit dem Frontexflieger und vielen anderen Flüchtlingen aus mehreren Europäischen Ländern abgeschoben.

Bin gerne für weitere Informationen zu haben.

Herzliche Grüße,

euer Bruder Lanfranco
Franziskusgemeinschaft Pinkafeld
lanfrancesco-assisi@web.de


Offener Brief des Vorstandes des Judo-Clubs Pinkafeld:
Sevak und seine Familie sollen nach Armenien abgeschoben werden

[...] Als Vorstände des Judoklubs Pinkafeld können wir insbesondere zum 15-jährigen Sohn der Familie, Sevak Simonyan Aussagen treffen. Sevak war von April 2010 bis Dezember 2012 beim PSV Salzburg – Judo Mitglied, danach für 4 Monate beim Judoteam Salzkammergut, ehe er im April 2013 nach Ankunft in Pinkafeld zum Judoklub Pinkafeld wechselte. Seitdem ist Sevak regelmäßig beim Vereinstraining und hat sich als freundlicher und höflicher Sportkollege und guter Judoka sofort und problemlos in unsere Trainingsgruppe integriert.
Wir haben ihn als zielstrebigen jungen Judoka kennen gelernt, der klare Ziele vor sich hat. Zum einen steht die nächste Gürtelprüfung zum grünen Gürtel am Programm. Weiters haben wir bereits über ein Programm zur Vorbereitung auf die österreichischen Meisterschaft U18 Ende September gesprochen (Anmerkung: Im österreichischen Judoverband dürfen in allen Nachwuchsklassen auch Nicht-Österreicher an den österreichischen Meisterschaften teilnehmen, sofern sie zumindest ein Jahr in Österreich leben und zur Schule gehen). Ebenfalls wissen wir, dass sich Sevak um einen Platz im BSSM Oberschützen beworben hat.
Aus unserer Sicht bemerkenswert ist vor allem auch, dass sowohl Sevak als auch seine Schwester, die ihn manchmal zum Training begleitet hat, hervorragend deutsch sprechen (sogar mit oberösterreichisch-salzburger Dialekt!!). [...]



Vorschlag für einen Aktionsbrief oder E-Mail:

An Herrn
Landeshauptmann Hans Niessl
Europaplatz 1
7000 Eisenstadt
(e-mail: hans.niessl@bgld.gv.at)
(fax –Nr: 057/600/2900)

An Herrn
Bezirkshauptmann Dr. Hermann Sagmeister
Hauptplatz 1
7400 Oberwart
(e-mail: bh.oberwart@bgld.gv.at)

Ort, Datum
Sehr geehrte Herren!

Ich fordere alle zuständigen Österreichischen Behörden auf, der armenischen Familie Simonyan – Eltern und zwei minderjährige Kinder - ein gerechtes Verfahren im Sinne des Humanitären Bleiberechts zu ermöglichen.
Im Besonderen richte ich diese Forderung an Herrn Dr. Hermann Sagmeister, Bezirkshauptmann im Bezirk Oberwart und an Herrn Hans Niessl, Landeshauptmann im Burgenland.
Sollte die für Dienstag, den 28. Mai 2013, geplante Abschiebung nach Armenien stattfinden, so wird die Familie Simonyan in ihrem Heimatland wieder an Leib und Leben bedroht sein.


Unterschrift

Name, Vorname und Adresse
in Blockbuchstaben:

In Pinkafeld lebende Asylantenfamilie droht Abschiebung

bvz, 24.5.2013
Asyldrama in Pinkafeld

Verfolgte Familie aus Armenien wird in „Nacht und Nebelaktion“ abgeholt. In vier Tagen soll Abschiebung erfolgen. In der Heimat droht der Tod
Karen Simonyan war Polizist in seiner Heimat Armenien. Er hat damals nur seinen Job gemacht. Genauso, wie die sechs Polizisten, die jetzt draußen vor der Tür auf ihn und seine Familie warten.
Fotogalerie starten
Familie Simonyan lebt seit 2009 in Österreich. Vor zwei Monaten kamen sie nach Pinkafeld, leben seither bei der Franziskusgemeinschaft am Kalvarienberg. Kurz vor sechs Uhr Morgens klopft es an der Tür.
Exekutivbeamte und zwei Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Oberwart fordern die fünfköpfige Familie auf, mitzukommen. Es ist Freitag, der 24. Mai. Den Simonyans wird mitgeteilt, dass sie Österreich in vier Tagen verlassen müssen. „Wir haben noch geschlafen als es an der Tür geklopft hat“, erzählt die 17-Jährige Narine, während sie schnell noch ihre letzten Sachen in die rote Reisetasche stopft.

KURIER, 24.5.2013
Gut integrierte armenische Familie steht vor der Abschiebung 
Eltern und drei Kinder fürchten in ihrer Heimat ums Leben. SOS Mitmensch will Bleiberecht.

burgenland.ORF.at, 24.5.2013
Armenischer Familie droht Abschiebung 
Einer fünfköpfige Familie aus Armenien, die in den vergangenen zwei Monaten in Pinkafeld lebte, droht die Abschiebung. Die Familie befindet sich derzeit im Schubhaftzentrum in Eisenstadt. Das Land wird bis Dienstag entscheiden, ob die Familie tatsächlich abgeschoben wird.

Freitag, 17. Mai 2013

Bischof Erwin Kräutler zu Belo Monte: "Gebe nicht auf"


RadioKulturhaus, 16. Mai 2013, 18:30 Uhr
Im Zeit-Raum: Im Kampf für Amazonien

Bischof Erwin Kräutler spricht mit Johannes Kaup über seinen Kampf für Gerechtigkeit und Menschenwürde, seine Motive, seinen Lebensweg und die aktuelle Situation seines Einsatzes gegen das Staudamm-Projekt Belo Monte.

HINWEIS:
Das Gespräch wird am 24. Juni 2013 um 16 Uhr auf Ö1 übertragen.

Der Standard, 17.5.2013
Belo-Monte-Staudamm: Kräutler wirft Brasilien Verfassungsbruch vor

Bevölkerung sei nicht entsprechend angehört worden - Menschen würden Folgen des Projekts "vielleicht physisch überleben, aber kulturell gehen sie zugrunde"

Belem/Wien/Graz - Der aus Vorarlberg stammende Bischof der Amazonas-Diözese Xingu, Erwin Kräutler, wirft der brasilianischen Regierung im Zusammenhang mit dem Bau des Belo-Monte-Staudamms Verfassungsbruch und Rechtsverletzungen vor. Rund 40.000 Menschen, vorwiegend Angehörige indigener Minderheiten, würden Lebensraum und -grundlage verlieren, kritisierte Kräutler am Donnerstagabend im Wiener ORF-Radiokulturhaus. Internationale Konzerne wie die steirische Andritz, die am Kraftwerksbau mitarbeiten, hätten sich über die Zerstörungen und Probleme nicht ausreichend informiert.

Der indigenen Bevölkerung Brasiliens steht laut Verfassung das Recht zu, bei Projekten, die ihren Lebensraum betreffen, angehört zu werden, so Kräutler. Allerdings sei das nicht eingehalten worden, wodurch die Verfassungsgesetze verletzt worden seien.

Auch in Umweltfragen handle Brasiliens Regierung nicht gesetzeskonform, da viele Auflagen schlicht nicht erfüllt worden seien. Derzeit sind bei Gericht noch Dutzende Verfahren anhängig, doch sind die Staatsgewalt und die Justiz in Brasilien nach Meinung Kräutlers so eng verflochten, dass höherrangige Instanzen oft Gerichtsurteile im Sinne der Regierung aufheben würden. Daher könne man Brasilien in diesem Zusammenhang nicht als "Rechtsstaat" sehen, meinte der Geistliche, der bereits um einen Termin beim brasilianischen Höchstrichter angesucht hat.

Kräutler: "Gebe nicht auf"

"Ich habe Beweise dafür", sagte der Bischof, der nach Morddrohungen und einem missglücktem Anschlag in Brasilien nur mit einer Security-Eskorte unterwegs ist. "Solange die Verfahren laufen, gebe ich nicht auf." Zwar seien die Bauarbeiten schon so weit fortgeschritten, dass massive Schäden nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Es sei aber immer noch sein Ziel, das Projekt zu stoppen.

Das geplante Wasserkraftwerk habe mit sauberer Energie nichts zu tun, vielmehr wäre die indigene Bevölkerung bedroht, wenn sie aus ihrem Lebensraum etwa in Containersiedlungen umgesiedelt würden: "Das ist menschenunwürdig. Ihnen wird die Lebensgrundlage entzogen, sie haben keine Berufe erlernt, viele ergeben sich dem Suff."

"Menschen gehen zugrunde"

Oft werde argumentiert, dass die Dörfer der Indios ohnehin nicht geflutet würden, meinte Kräutler. In Wahrheit sei aber eben das Gegenteil das Problem. Da der Xingu-Fluss in einen Kanal umgeleitet werden soll, würde eine rund 100 Kilometer lange Flussschleife austrocknen. "Die Menschen haben dann kein Wasser mehr, aber sie leben ja vom Fischfang. Für sie wäre das der Todesstoß. Sie werden das vielleicht physisch überleben, aber kulturell gehen sie zugrunde."

Es sei im Zusammenhang mit den Indigenen auch ein Irrtum zu glauben, den Verlust ihres Lebensraums mit Geld- oder Sachentschädigungen wettmachen zu können. Die Menschen würden zwar mit Geld gefügig gemacht, letztlich aber doch untergehen. "Ich nenne das Auricid", meinte der gebürtige Vorarlberger in Anspielung auf das lateinische Wort Aurum (Gold).

Daher sei er auch vom früheren Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva enttäuscht worden, der trotz anderslautender Versprechungen letztlich die Umwelt und die Rechte der Indios dem Fortschritt geopfert habe. "Für mich ist Fortschritt aber nur dann gegeben, wenn sich die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern."
Kritik an Andritz

Die Firma Andritz soll für das Kraftwerk die Turbinen liefern. Diese berufe sich darauf, dass das Projekt nach brasilianischem Umweltrecht genehmigt sei und Arbeitsplätze biete, so Kräutler. Es habe sich aber niemand die Mühe gemacht, sich die Umstände an Ort und Stelle anzuschauen: "Die riesigen Firmen hätten Abordnungen schicken sollen. Wir hätten den Leuten schon gezeigt, was los ist. Sie hätten sogar das Glück gehabt, dass der Bischof Deutsch spricht und sie keinen Dolmetscher brauchen."


„Unsere Zukunft wird weggespült“
Bischof Erwin Kräutler setzt sich für den Lebensraum der Indios ein
SALZBURG / XINGU (eds/ib – 19. 5. 2013) / Der Stausee Belo Monte verdrängt 40.000 Menschen aus ihrem Lebensraum. Was ist das schon im Verhältnis zu 200 Millionen Brasilianern? „So argumentieren sie in der Hauptstadt. Für mich haben alle diese Menschen ein Gesicht“, betont Dom Erwin Kräutler. Direkt an seinem Bischofssitz in Altamira fließt der Xingu vorbei. „Den indigenen Völkern ist dieser Fluss heilig.“ Die so genannte zivilisierte Welt zerstört ihn.
Dom Erwin ist „empört über all die Ausbeutung und Plünderung der Menschen und ihrer Mit-Welt“. Er lebt und wirkt seit beinahe 50 Jahren in Brasilien. SEI SO FREI, die entwicklungspolitische Aktion der Katholischen Männerbewegung in Salzburg und in Feldkirch, ist ein treuer Wegbegleiter. In den vergangenen Jahren konzentrierte sich die Unterstützung auf das Haus für Mutter und Kind und das Refúgio. Vor kurzem überzeugten sich die Referenten bei einer Projektreise davon, „wie Spenden aus Österreich Lebenschancen schenken“.
Mit dem Refúgio hat der Bischof dem „armen Volk Gottes am Xingu“ eine Zufluchtsstätte geschaffen. „Patienten, die in Altamira keine Verwandten haben, bei denen sie bleiben können, erhalten ein Dach über dem Kopf und Verpflegung. Mitarbeiterinnen begleiten sie zu Arzt und Behörden.“ Tag und Nacht klopfen Kranke an. Sr. Zélia, die Leiterin, und Sr. Jandira kümmern sich mit einem 15-köpfigen Team um die hier gestrandeten Frauen und Männer. Sie bleiben im Durchschnitt 20 Tage. Wer dazu in der Lage ist, zahlt einen geringen Beitrag. Die meisten können nicht einmal zehn Reais aufbringen, das sind umgerechnet vier Euro. Lucenildo ist einer von ihnen. Er greift sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an sein Bein. „Die Nerven sind verletzt, es wird einfach nicht besser.“ Ein Schlagloch wurde ihm und seinem Zweirad zum Verhängnis.
Auch der Leidensweg des sechsjährigen Pedro ist noch nicht zu Ende. Ob er je wieder einem Fußball hinterherjagen kann? Der Bub saß bei seinem Onkel am Moped und trug bei einem Unfall einen Ober- und Unterschenkelbruch davon. Pedro pendelt nun zwischen Krankenhaus und Refúgio. „Vor ihm liegt eine langwierige Physiotherapie“, blickt Sozialarbeiterin Sonia auf den kleinen Dauergast und erzählt von dem nicht abreißenden Strom an neuen Patienten. Das Haus mit 60 Betten sei ständig überbelegt.
Wie Belo Monte den Alltag prägt, davon berichtet P. Michael Rhode. Am Haus der Missionare vom Kostbaren Blut donnern schon frühmorgens die LKW- und Buskolonnen vorbei. In einem Gebäude seiner Pfarre Perpétuo Socorro ist eine Art Refúgio-Nebenstelle eingerichtet. „Rund 30 Leute können in unserem Haus der Hilfe leben“, erzählt der aus Paderborn gebürtige Ordensmann.

Multinationale Gewinner, einheimische Verlierer
Schon in den 70er Jahren wollte die brasilianische Regierung die als Volta Grande bekannte Schleife des Xingu für ein Wasserkraftwerk nutzen. Damals landeten die Pläne aufgrund der Proteste und des Geldmangels in der Schublade. Im Frühjahr 2013 graben die Bagger trotz fehlender Genehmigungen jeden Tag weiter tief in den Urwaldboden hinein, um den drittgrößten Staudamm der Welt fertigzustellen. Das 11.000-Megawatt-Kraftwerk ist längst zum Prestigeprojekt für Präsidentin Dilma Rousseff geworden. Ein 50 Kilometer langer Damm soll den Verlauf des Xingu umlenken. 2015 soll Belo Monte das erste Mal Strom erzeugen.
29 Milliarden Reais, rund 11 Milliarden Euro kostet die Anlage. Andritz ist mit einer Auftragshöhe von etwa 330 Millionen Euro dabei und liefert Turbinen und Generatoren. Auf der Homepage gibt das steirische Unternehmen ein Bekenntnis zur Nachhaltigkeit ab, das in der Praxis anscheinend doch nicht so viel zählt. „Die Profiteure sind brasilianische und internationale Großkonzerne. Für die zählt nur der Gewinn“, bringt es Bischof Erwin Kräutler auf den Punkt.
Auf der Seite der „Verlierer“ treffen sich Flussbewohner, Fischer und Kleinbauern. „Norte Energia verspricht alles Mögliche. Sie wollen die Leute nur ruhig stellen. Wenn sie bauen, scheren sie sich nicht mehr um uns“, macht sich ein Aktivist bei der Protestbewegung Xingu Vivo Para Sempre Luft. Sprecherin Antônia Melo mahnt die Mobilisierung der Betroffenen ein. Immer wieder werden Straßensperren oder Baustellen-Besetzungen organisiert. Ein Totalstopp von Belo Monte ist aber unwahrscheinlich. Doch der Protest geht weiter – auch um weitere Staudämme zu verhindern.